Rechtsanwälte Gäbler & Heuser

 

Verkehrsrecht

Verfassungsbeschwerde erfolgreich: Mutmaßlicher Raser setzt Einsichtsrecht in gesamte Messakte durch

Welche Detailinformationen darf man einsehen, um einen gegen sich erhobenen Vorwurf entkräften zu können? Diese Frage wollte ein Mann beantwortet haben, dem anhand von Messgerätsdaten (Blitzer) ein Tempoverstoß vorgeworfen wurde. In zwei Instanzen wurde ihm die vollumfängliche Akteneinsicht jedoch verwehrt. Und da es sich hierbei um Grundsätzliches handelte, landete der Fall schließlich vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg (VerfGH).

Nachem ein Autofahrer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um satte 44 km/h überschritten hatte und dabei geblitzt wurde, erhielt er einen Bußgeldbescheid in Höhe von 160 EUR und den Erlass eines einmonatigen Fahrverbots. Der Betroffene legte über seinen Anwalt Einspruch ein und forderte neben der reinen Akteneinsicht auch die Herausgabe sämtlicher nicht in der Akte befindlicher Daten - insbesondere die Wartungs- und Reparaturunterlagen des Messgeräts. Dies wurde ihm in den ersten beiden Instanzen verwehrt.

Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt für den Betroffenen grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen - namentlich auch zu den Wartungs- und Reparaturunterlagen des verwendeten Messgeräts. Nur wenn alle Daten überprüft werden könnten, sei der Verteidiger in der Lage, eventuelle Zweifel an der Richtigkeit der Messung darzulegen und zu beweisen. Dem Bürger müsse also eine vollumfängliche Akteneinsicht gewährt werden. Die Sache wurde vom VerfGH daher an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Hinweis: Die vom Rechtsanwalt angeforderten Unterlagen sind verteidigungsrelevant, weil sie Schlüsse auf die Zuverlässigkeit des Messgeräts und damit die Richtigkeit des Messergebnisses erlauben. Im vorliegenden Fall war auch davon auszugehen, dass die Unterlagen tatsächlich existierten, da der als Zeuge vernommene Messbeamte und der Sachverständige von reparierten Defekten am Objektiv und LAN-Kabel berichtet hatten. Durch die Aussage des Messbeamten oder des Sachverständigen kann aber nicht das originäre Einsichtsrecht der Verteidigung in die Unterlagen eingeschränkt werden, welche die Angaben andernfalls nicht verifizieren könne.

Quelle: VerfGH des Landes Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.2023 - 1 VB 38/18
Thema: Verkehrsrecht